Trendsport für Jung und Alt
Sobald von Tretrollern die Rede ist, denkt man an Kinderspielzeug oder an die kleinen, klappbaren Microscooter. Beim Anblick eines modernen Sport-Tretrollers fehlen einem dann oft die Worte: „Roller-Fahrrad“, „Tritt-Rad“, „Laufrad“,...
Ja, Sport-Tretroller sieht man hierzulande noch selten, doch ändert sich dies. So einfach wie die Bezeichnung, nämlich schlicht „Tretroller“, ist auch das Fahren selbst. Wie der Name schon sagt, bewegt man sich durch Treten und Rollen. Die Bewegung ist leicht und schnell erlernbar und bietet Jung und Alt, Anfängern und Fortgeschrittenen eine Mobilität, die einfach Spaß macht und selbstverständlich gesund ist.
Technik und Technische Entwicklung
Ein handelsüblicher Renn-Tretroller, der auch bei Wettkämpfen eingesetzt werden kann, besteht aus einem Aluminium- oder Stahlrahmen, einem 28-Zoll-Vorderrad und einem 20-Zoll-Hinterrad. Komplettiert wird dies durch einen Fahrradlenker und je eine Felgenbremse vorne und eine hinten. Solch ein Tretroller wiegt 7 bis 8 Kilogramm und kostet zirka 500 Euro.
Der Trend bei Sportlerinnen und Sportler an der Weltspitze geht in Richtung Carbon-Rahmen und 28-Zoll-Rädern vorne und hinten, meist auch nur mit einer einzigen Felgenbremse, nämlich vorne. Diese Einzelanfertigungen wiegen nur noch 4 Kilogramm und weisen einen extrem geringen Rollwiderstand auf. Es ist eine Frage der Zeit, bis es 28/28-Carbon-Roller auch in Serienfertigung gibt. Noch ist der Markt dafür zu klein.
Neben Renn-Tretrollern gibt es Cross-Tretroller, die das Befahren von Mountainbike-Strecken erlauben. Diese Roller haben eine Federgabel und Stollenreifen, auch ist das Trittbrett höher als beim Straßen-Roller. Abseits des Sports gibt es Tretroller für den Alltag, die eine Alternative zum City-Bike darstellen, also Tretroller mit Schutzblechen, Lichtanlage, Gepäckträger und Seitenständer. Preislich sind diese ebenfalls bei 500 Euro angesiedelt. Übrigens gelten Tretroller in Österreich als Fahrräder, somit dürfen diese auf Öffentlichen Straßen und Radwegen benützt werden.
Nicht vergessen darf man Kleinrad-Roller, die ebenfalls für Groß und Klein sind. In den Niederlanden und in Tschechien gibt es eine Reihe sehr großer Sport-Veranstaltungen, wo nur Tretroller mit 12-Zoll-Rädern zugelassen sind. Ein Höhepunkt ist das „Elfstedentocht“ in den Niederlanden, wo 230 Kilometer auf einem 12-Zoll-Roller zu fahren sind, und zwar non-stop.
Zu Tretrollern zählen auch Stunt-Scooter, also sehr kleine Roller mit Rädern wie Inline-Skates, die vorwiegend zum Vollführen unterschiedlicher Tricks dienen. Auf diese Roller wird in diesem Workshop nicht näher eingegangen.
Erfreulicherweise steigen die Stückzahlen der City-, Cross- und Renn-Tretroller und es sinken damit nochmals die Preise. Demnächst wird es qualitativ hochwertige Tretroller um unter 300 Euro geben.
Sport und Sportliche Entwicklung
Eine Internationale Rennszene gibt es seit Ende der 1990er. Vier Disziplinen sind fixer Bestandteil bei den Eurocups, den Europa- und den Weltmeisterschaften, nämlich: „400 Meter Sprint“, „Criterium“ (10 bis 15 Kilometer), „Marathon“ (42 Kilometer) und „Staffel“.
Der Sprint findet auf einem 400-Meter-Oval einer Sportanlage statt mit stehendem Start, Spikes sind nicht erlaubt. Derzeit liegt der Weltrekord bei 42,69 Sekunden über 400 Meter, aufgestellt 2012 vom damals 19-jährigen Dänen Christian Iversen. Spitzengeschwindigkeit in der Ebene kurz über 40 km/h! Christian ist somit ohne Spikes und mit einem 6 Kilogramm schweren Tretroller um eine halbe Sekunde schneller als der schnellste Läufer über diese Strecke (43,18 Sekunden, Michael Johnson, Weltrekord 1999).
Criterium und Marathon finden auf Rundkursen statt. Offizielle Rekorde gibt es mangels Vergleichbarkeit der Strecken nicht. Der Finne Kai Immonen fuhr bereits mehrmals den Marathon in unter 1:20:00. Das bedeutet eine Durchschnittsgeschwindigkeit von nahezu 32 km/h.
Wirklich actionreich ist der Staffellauf. Als Staffel dient der Tretroller selbst, der in laufender Weise sehr schnell übergeben wird. Auf einem Rundkurs von wenigen Hundert Metern wird zehn oder fünfzehn Minuten gefahren. Nach jeder Runde gibt es einen FahrerInnen-Wechsel. Für das Publikum ist dieser Bewerb der spannendste. Bei der Roller-Übergabe kann man Zeit gewinnen oder verlieren, manchmal kommt es zu akrobatischen Höchstleistungen, gelegentlich auch zu kleinen Stürzen.
Mit jedem Jahr steigt die Teilnehmerzahl und es steigt auch die Anzahl der Berichte in Printmedien und Fernsehen. In den Niederlanden und in Tschechien ist der Tretrollersport zwischenzeitlich sehr verbreitet. Es gibt in diesen Ländern Hunderte Aktive in zahlreichen Vereinen. Ehemals starke Tretroller-Fahrer stehen der Jugend als Trainer zur Verfügung.
Mehrere Einzel-Aktionen machen den Sport bekannter und wecken die Neugier sportinteressierter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener. Im Sommer 2013, anlässlich der 100. „Tour de France“ fuhren sechs Athleten die gesamte Tour, also über 3.300 Kilometer, am Tretroller. Sie fuhren sämtliche Etappen in voller Länge, immer einen Tag vor den Radfahrern. Dies war für den Tretroller-Sport eine einzige und sehr gute Promotion-Tour. Ebenfalls viel Beachtung in den Medien fanden die Extremtouren des Österreichers Harald Hel, der mit seinem Tretroller Wüsten ebenso durchquerte wie ganze Kontinente. Das Taschenbuch „Tretrollersport“ (ISBN 3842494815) von zwei Deutschen Urgesteinen der Szene ist das bislang einzige Buch zum Thema und richtet sich an Einsteiger, Umsteiger und Profis.
Gesundheit, Ausdauer, Kraft
Wenn von Technik und Sport die Rede ist, so ist beides wichtig und interessant, nicht zuletzt für die Verbreitung des Sports und Bildung eines positiven Images. Das Wesentliche am Tretrollerfahren ist allerdings, dass es ein gesunder Sport ist, ein Sport, der im Freien ausgeübt wird, der Spaß macht und der zugleich den Nutzen der Mobilität hat. Man kann je nach Trainingszustand Alltagsfahrten mit dem Tretroller genauso machen wie mit dem Fahrrad.
Zwar gibt es noch keine wissenschaftliche Studien zur Gesundheit dieser doch noch jungen Sportart . Fest steht, dass im Vergleich zum Laufen die Gelenke geschont werden und im Vergleich zum Radfahren mehr Muskeln gefordert und gefördert werden. Auffallend ist, dass es bei höheren Geschwindigkeiten keine Stabilisierung des Fahrzeugs gibt, wie etwa beim Fahrrad. Dies bedeutet, dass der Gleichgewichtssinn auch bei höheren Geschwindigkeiten gefordert ist. Doch keine Angst, Tretrollerfahren ist kinderleicht.
Eben dieses „Kinderleichte“ ermöglicht einen schnellen Einstieg für Leute jeden Trainingszustands. Man kann gemütlich spazieren rollern, indem man alle paar Sekunden einen Tritt macht und das lautlose Rollen und Gleiten genießt. Einzig zu üben ist der Fußwechsel, damit man nicht „einseitig“ wird. Schnell merkt man, wie schnell das Standbein am Trittbrett ermüdet. Daher wechselt man alle paar Schritte, sodass beide Beine in etwa gleich oft zum Treten kommen.
Sportlich ambitionierte Tretrollerfahrerinnen und Tretrollerfahrer legen den Schwerpunkt nicht auf das Rollen, sondern auf das Treten. Dann stößt man sehr schnell an physikalische Grenzen. Der Tretroller ist ein Sportgerät, das sowohl Ausdauer als auch Kraft steigern hilft. Seitens Reisegeschwindigkeit und Reichweite liegt man zwischen Laufen und Radfahren. Durchschnittsgeschwindigkeiten von 20 km/h sind bald zu erreichen. Der Bewegungsablauf hat sehr viel mit dem Laufen gemein. Das heißt, es ist ein „halbseitiges“ Laufen, wobei nur ein Bruchteil des Körpergewichts die Straße berührt.
Bauch- und Rückenmuskel sind stets, also bei langsamen wie bei schnellen Fahrten, gefordert, um den Körper zu stabilisieren. Bei Fahrten im Gelände sind Bauch- und Rückenmuskel ganz besonders stark im Einsatz, auch Arme und der Schulterbereich arbeiten mehr als man auf den ersten Blick vermuten würde.
Der Workshop befasst sich im praktischen Teil vor allem mit der Fahrdynamik. Zwar hat man als Neuling schon nach den ersten Metern Erfolgsgefühle, doch ist es gar nicht so einfach, einhändig zu fahren. Es gibt Tricks, wie man locker bergauf tritt und bestimmte Körperhaltungen, wie man schnell und sicher bergab fährt. Zielbremsen und Kurvenfahren bei höheren Geschwindigkeiten müssen auch erlernt werden. Dann ist man genauso sicher unterwegs wie mit jedem Fahrrad.
Spaß
Man kann so viel schreiben über Technik, Sport, Gesellschaft und Medizin. Hervorzuheben ist jedoch, dass das Tretrollerfahren ganz viel Spaß macht. Vom Stand weg hat man nach wenigen Sekunden den Fahrtwind im Gesicht und strengt sich gar nicht an. Der sichere Stand am Trittbrett und funktionierende Bremsen geben ein gutes Gefühl und schon fährt man zügig bergab, freut sich am Gefühl jeder Kurve. Das Treten hat etwas Kraftvolles und Dynamisches. Das macht munter, das macht Spaß. Wer will, kann Aggressionen abbauen. In der Ebene, bei langen Strecken, hat das monotone Treten auch etwas Meditatives. Ganz anders als beim Radfahren hat man hier einen richtigen, selbst gemachten, Rhythmus. Kräftiger Tritt mit Ausatmen, dann rollen lassen und langsam Einatmen. Hat man einmal einen Hügel oder Berg erklommen und lässt sich dann einfach minutenlang nur rollen, dann ist dies eine wunderschöne Belohnung, die man gerne genießt.
Referent
Dipl.-Ing. Guido Pfeiffermann zählt zu Österreichs Pionieren im Tretrollersport. Er nahm an zahlreichen internationalen Rennen teil und verblüfft regelmäßig bei nationalen Radrennen mit seinem Tretroller, wo er Radfahrer hinter sich lässt. Sein sportlicher und emotionaler Höhepunkt in diesem Zusammenhang war die Teilnahme an drei Alpen-Etappen der „Tour de France“ im Sommer 2013. An einem Tag wurden über 200 Kilometer und 5.500 Höhenmeter am Tretroller zurückgelegt. Herr Pfeiffermann ist HTL-Lehrer und kümmert sich in vielfältiger Weise um die Verbreitung des Sports in Österreich und die Förderung der Jugend in diesem Bereich. Im Winter fährt er Tretschlitten. Der Tretroller ist nämlich genau genommen das Sommer-Trainingsgerät für Tretschlittenfahrer, wobei zwischenzeitlich weltweit mehr Tretroller als Tretschlitten unterwegs sind. Herr Pfeiffermann gilt jedenfalls in Österreich als der Experte für Tretroller und Tretschlitten und freut sich, seine Begeisterung für diese Sportarten weitergeben zu dürfen.
Quelle: "Fit für Österreich"-Kongress, "Sport & Bewegung für Körper & Geist", 18. - 20. Oktober 2013 Saalfelden, Kongressbericht